Die Chan Lehre

Für all jene, die ihr Verständnis der buddhistischen Lehren vertiefen möchten, bieten wir den Bildungsgang „Humanistischer Buddhismus – Die Chan-Lehre von Meister Sheng Yen“ an. Dieser umfasst acht Module und erstreckt sich über einen Zeitraum von vier Jahren. Die Kurse finden monatlich statt und ermöglichen sowohl persönliche Teilnahme vor Ort als auch Online-Teilnahme. Weitere Einzelheiten sind hier zu finden.

Im August 2022 begann der dritte Bildungsgang. Interessierte, die noch einsteigen möchten, können sich gerne unter info@chan-bern.ch melden.

Die Bezeichnung Chan, aus dem indischen dhyāna, bedeutet ursprünglich Meditation. In China wurde es zur Bezeichnung einer Schule, die sich vorwiegend der meditativen Praxis als Weg zum Erwachen widmete.

Nach der Songzeit ( 960 – 1279) war Chan eine von nur zwei überlebenden buddhistischen Schulen und vermischte sich zum Teil mit der anderen Schule, dem Buddhismus des Reinen Landes. Somit wurden sehr viele Klöster in China als Chan-Klöster bezeichnet, ohne dass dies unbedingt bedeutete, dass in diesen Klöstern viel meditiert wurde. Ab Mitte der 19. Jh. setzten Reformbewegungen ein und der so entstehende humanistische Buddhismus wurde von Meister Sheng Yen später in eine der heutigen Zeit und den wissenschaftlichen Ansprüchen entsprechenden Form gebracht wurde.

ChanHumanistischer Buddhismus hat sich als Bezeichnung eingebürgert, die genaue Übersetzung des chinesischen Begriffes ren sheng fo jiao (人生佛教) wäre vielleicht „Buddhismus für die in dieser Welt Lebenden“ oder freier „Buddhismus für die Menschen“. Der Begriffe bedeutet für Meister Sheng Yen, dass der Buddhadharma im gewöhnlichen, alltäglichen Leben anwendet und damit ganz allgemein der Entwicklung der Menschheit gedient wird.

Meister Sheng Yens ganz grosser Verdienst ist es, dass er die überlieferten Meditationsmethoden für uns so beschrieben hat, dass sie auch für Laien anwendbar sind (Huatou), und er hat die verloren gegangene Methode des Stillen Gewahrseins (Mozhao, Silent Illumination) wieder belebt und für uns anwendbar gemacht. Er förderte wissen­schaftliche buddhistische Studien und setzte die Priorität auf ihre Anwendbarkeit im Alltag.

Wie der engagierte Buddhismus umfasst der humanistische Buddhismus den Einbezug der Laien und Frauen, die Praxis im Alltag, soziales Engagement und Umweltschutz.

Meister Sheng Yen und seine Übertragungslinie

Shi-Fu Sheng Yen wurde 1930 nördlich von Shanghai geboren, mit 14 Jahren wurde er Novize in den Wolfsbergen, Jiangsu.

Nach der Machtübernahme der Maoisten gelangte er mit der nationa­lis­tischen Armee nach Taiwan. Im Alter von 30 wurde er wieder als Mönch ordiniert und verbrachte etwas später 6 Jahre im Einzel-Retreat. Darnach studierte er in Japan und schloß mit dem Doktorat in Buddhologie ab und verbreitete anschließend den Dharma in den USA, übernahm die Leitung des Klosters seines Lehrers in Taiwan und gründete den Berg der Dharma­trommel.

Ein Hauptanliegen von Meister Sheng Yen ist es, den Buddhismus und die Ausbildungsqualität der Mönche und Nonnen anzuheben. Selber ein Gelehrter und Autor von über 100 Büchern errichtete er das Chung-Hwa Institut für Buddhistische Studien und die Dhrarma Drum University.

In den letzten Jahren engagierte er sich im Dialog mit führenden Persönlichkeiten in Wissenschaft und Kultur und im interreligiösen Dialog. Meister Sheng Yen ist Linienhalter der Linji (als Dharmaerbe von Meister Lingyuan) und der Caodong Tradition (als Dharmaerbe von Meister Dongchun). Es hat sowohl die Essenz des Hua’tou Chan der Linji Linie gefestigt, wie die Praxis des Stillen Gewahrseins (Mo zhao) der Caodonglinie erneuert.

Er gründete die Linie des Dharma Trommel Berges des Chinesischen Humanistischen Chan Buddhismus, die auch im indischen Buddhismus begründet und vom tibetischen Buddhismus inspiriert ist. Wie der engagierte Buddhismus verbindet sie die individuelle Praxis mit einem sozialen Wirken in der Welt und unterhält verschiedene Hilfsorganisationen.

Meister Sheng-Yen ist am 3. Februar 2009 friedlich verstorben.

Ein Brief des Abtes Präsident über den Tod von Meister Sheng Yen auf Englisch

Was ist Chan?

Aus einem Vortrag von Chan-Meister Sheng Yen (1977)

Chan ZenIch möchte damit beginnen, dass Chan nicht das Gleiche ist wie Wissen, doch ist Wissen nicht vollständig getrennt von Chan. Chan ist nicht nur Religion, doch die bedeutenden Leistungen der Religionen können durch Chan erreicht werden. Chan ist nicht Philosophie, doch kann Philosophie Chan auf keinen Fall übertreffen. Chan ist nicht Wissenschaft, doch die Einstellung, Realität und Erfahrung zu betonen, ist auch in Chan notwendig.
Versuchen Sie bitte nicht, aus reiner Neugierde den Gehalt von Chan zu erkunden, denn Chan ist nicht etwas, das neu aus Asien in den Westen gebracht wurde. Chan ist überall, in grenzenlosem Raum und endloser Zeit. Und doch wussten die Menschen im Westen nichts von der Existenz von Chan, bevor der Buddhismus in der westlichen Welt verkündet wurde. Doch Chan, das durch asiatische Mönche im Westen gelehrt wird, ist nicht eigentlich Chan. Es ist die Methode, Chan zu realisieren. Chan wurde zuerst vom Prinzen Siddharta Gautama (nach seiner Erleuchtung Shakyamuni genannt), der vor etwa 2500 Jahren in Indien ge­bo­ren wurde, entdeckt. Nach seiner Erleuchtung, als er ein Buddha genannt wurde, lehrte er die Methode, Chan zu erfahren.
Die Methode wurde von Indien nach China und dann nach Japan über­mit­telt. In Indien wurde sie dhyana genannt, was im Chinesischen als „Chan“ und im Japanischen als „Zen“ ausgesprochen wird. Alle drei Bezeichnungen sind identisch.

Chan existiert universal und ewig. Es braucht zur Übermittlung keinen Lehrer; was vom Lehrer übermittelt wird, ist nur die Methode, durch die man persönlich Chan erfahren kann.

Einige Menschen verstehen Chan fälschlicherweise als eine Art mystische Erfahrung; andere denken, dass man durch die Erfahrung von Chan übernatürliche Kräfte erreichen könne. Natürlich können im Prozess der Chan-Praxis verschiedene besondere Phänomene mentaler und physischer Empfindungen auftreten, und man kann durch die Praxis, Körper und Geist zu vereinheitlichen, die Fähigkeit mentaler Kraft erlangen, äussere Dinge kontrollieren und verändern. Doch sind solche Phänomene, die als Religionsmysterien verschlüsselt werden, nicht das Ziel der Chan-Praxis, weil sie nur unsere Neugier oder Megalomanie befriedigen und die aktuellen Lebens-Probleme der Menschen nicht lösen können.

Chan beginnt an der Wurzel der Probleme. Es beginnt nicht mit der Absicht, die äussere soziale und materielle Umwelt zu erobern, sondern damit, vollständige Kenntnis seiner selbst zu gewinnen. Im Augenblick, in dem Sie erkennen, was Ihr Selbst ist, wird dieses „Ich“, das Sie jetzt als Sie selbst ansehen, verschwinden. Wir nennen dieses neue Wissen über das Selbst “Erleuchtung“ oder „Sehen der ursprünglichen Eigennatur“. Dieser Anfang hilft Ihnen, reale Probleme vollständig zu lösen. Am Ende werden Sie entdecken, dass Sie als Individuum zusammen mit allem, was existiert, eine einzige Ganzheit sind, die nicht aufgeteilt werden kann.

Weil Sie Mängel haben, empfinden Sie die Umgebung als nicht perfekt. Es ist wie ein Spiegel mit unebener Oberfläche; die von ihm reflektierten Bilder sind ebenfalls verzerrt. Oder wie die von Wellen gekräuselte Wasseroberfläche, die den Mond unregelmässig und unbeständig wider­ge­spie­gelt. Wenn die Spiegeloberfläche klar und glatt ist oder die Luft an der Wasseroberfläche ruhig und die Kräuselungen abgeklungen, dann werden die Reflexion im Spiegel und der Mond im Wasser klar und genau sein.

Daher ist aus Chan-Sicht der hauptsächlichste Grund vom Leiden und Unglück der Menschen weder unsere heimtückische weltliche Umgebung noch die schreckliche menschliche Gesellschaft, sondern die Tatsache, dass wir nie fähig waren, unsere ursprüngliche Natur zu er­ken­nen. So führt uns die Chan-Methode nicht dazu, der Realität auszuweichen oder unsere Augen zu verschliessen, wie der afrikanische Strauss, der, wenn Feinde sich nähern den Kopf im Sand ver­gräbt in der Annahme, dass damit alle Probleme gelöst seien. Chan ist kein selbst-hypno­ti­sie­ren­der Idealismus.

Durch die Chan-Praxis kann man das „Ich“ ausschalten; nicht nur das selbstsüchtige kleine „Ich“, sondern auch das grosse „Ich“, das philosophisch „Wahrheit“ oder „Wesen“ genannt wird. Erst dann herrscht absolute Freiheit. So empfindet ein versierter Chan-Praktizierender nie, dass irgendeine Verantwortlichkeit eine Last ist, noch fühlt er den Druck, den die Lebensbedingungen auf die Menschen ausüben. Er empfindet nur, dass er ständig die Vitalität des Lebens zu voller Aktivität bringt. Das ist der Ausdruck absoluter Freiheit. Daher ist das Chan-Leben unvermeidbar normal und positiv, glücklich und offen. Der Grund dafür ist, dass die Chan-Praxis Sie unaufhörlich mit den Mitteln versehen wird, Ihre kostbare Weisheits-Mine auszuschöpfen. Je tiefer die Aus­gra­bungen, desto grösser die Weisheit, die erreicht wird; bis Sie schlussendlich die Weisheit des ganzen Universums erreichen. Dann werden alle Dinge in Zeit und Raum in Ihrer Weisheit enthalten sein. In diesem Stadium wird Weisheit absolut; und da sie absolut ist, hat die Bezeichnung Weisheit keinen Zweck mehr. Jetzt ist das „Ich“, das Sie motiviert, Dinge wie Ruhm, Reichtum und Macht anzustreben oder vor Leiden und Gefahr zu fliehen, mit Sicherheit verschwunden. Was mehr ist, sogar die Weisheit, die Ihr „Ich“ entfernte, wird für Sie zu einem unnötigen Konzept.

Natürlich ist es aus dem Standpunkt des plötzlichen Erwachens für einen Chan-Praktizierenden sehr leicht, dieses Stadium zu erreichen, doch bevor man das Tor des plötzlichen Erwachens erreicht, muss man auf dem Weg eine gewaltige Anstrengung leisten. Sonst wäre die Chan-Methode nutzlos.