Der chinesische Humanistische Buddhismus von Meister Sheng Yen stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Hier, auf dieser Erde soll das Reine Land entstehen. Das beinhaltet Ausbildung und Schutz der Menschen, Kultivieren unserer geistigen Anlagen und Schutz der Umwelt, auch der spirituellen.

Ausbildung: Seine Lehre, die auf den indischen Texten beruht und die besonderen Aspekte der chinesischen Traditionen aufnimmt, sollte für alle Menschen zugänglich werden. Ganz besonders lag ihm jedoch die Ausbildung der Praktizierenden am Herzen, ob es sich nun um Ordinierte oder Laien handelte. Das Studium und die kritische Textforschung sollen die Lehre in eine moderne, wissenschaftlich fundierte Form bringen und sie für die Zukunft erhalten. Das Forschungsinstitut auf dem Dharma-Trommel-Berg steht auch international anerkannten Gelehrten offen.

Das Kultivieren unseres Geistes hat für uns westliche Praktizierende eine große Bedeutung. Während in der Vergangenheit die Stärke des Buddhismus in den Händen der Mönche und Nonnen lag, hat Meister Sheng Yen die Bedeutung der Laien als Träger der Chan Tradition neben den Ordinierten anerkannt. Von seinen eigenen Erfahrungen ausgehend und fundiert mit den Beschreibungen der alten Meister, zeigte er auf, wie der lange Weg zum plötzlichen Erwachen über verschiedene Stufen verläuft, auch wenn diese lediglich als geschickte Hilfsmittel zu betrachten sind. Er zeigte, dass seit dem 1. Ahnen Bodhidharma GeistesSammlung und Einsichts-Meditation gleichzeitig praktiziert wurden. Das wurde übermittelt bis Hongzhi Zhengjue (1091-1157) es als „mozhao“ – Stilles Gewahrsein – beschrieb: in völliger Stille sich des klaren Lichts der Soheit bewusst sein. 

Meister Sheng Yen lehrte auch die „huatou“-Methode, die Dahui aus der Gong‘an (Koan-) Praxis entwickelte, als er deren Fallstricke erkannt hatte. Das „huatou“, der Kernsatz eines Gong’ans, begleitet die Praktizierenden lebenslang. Es schürt den Geist des Fragens nach unserer existentiellen Bedingtheit, des Fragens nach Leben und Tod. Die Steigerung zur Großen Frage kann zum Durchbrechen unseres eingeengten Bewusstseins führen und zum Sehen unserer eigentlichen Natur – der Buddha-Natur.

Meister Sheng Yen war Linienhalter sowohl der Caodong (jap. Soto-) Tradition wie auch der Linji (jap. Rinzai-) Tradition. Sein spirituelles Erbe wird in der Linie der Dharma-Trommel durch die Gesamtheit der Nonnen- und Mönchsgemeinde, durch seine monastischen und Laien-Dharma-Erben sowie durch die Gemeinschaft” der Praktizierenden weitergeführt.

Schutz der Menschen und der Umwelt: Meister Sheng Yen hat verschiedene Hilfswerke gegründet, sowohl für die Unterstützung Bedürftiger in Taiwan wie auch für Beratungen und psychologische Hilfe. Ebenfalls wurden Katastrophenhilfswerke ins Leben gerufen, die bei Taifun-Schäden oder Erbeben im Lande und in anderen Ländern aktiv werden. Während die Ordinierten, und hier vor allem die Nonnen, den Kern der Gemeinde darstellen, wären die verschiedenartigsten und weitreichenden Aufgaben und Aktivitäten ohne eine Unzahl von Laien nicht möglich. Tausende von Freiwilligen helfen in der Verwaltung, den Küchen, in der Reinigung, im Garten oder als Besucher-Betreuer und bei den Meditationen und Zeremonien. Die freiwilligen Mitwirkenden werden sorgfältig eingeführt und stellen sich tageweise, während einiger Monate oder oft jahrelang ganz oder teilweise in den Dienst der buddhistischen Organisation der Dharma Trommel. Sie können an den spirituellen Aktivitäten teilnehmen und werden im Dharma geschult.

Der Orden der DharmaTrommel

In den 90er Jahren hat Meister Sheng Yen einen eigenen Orden gegründet, die DharmaTrommel. Im Orden leben heute über 300 Nonnen, sechsmal mehr als Mönche. Alle sind gut ausgebildet, einige mit Hochschulabschluss. Die Vorrangstellung der Mönche gilt entsprechend dem Vinaya auch im Dharma-Trommel-Orden, wird jedoch wenig betont und kompensiert durch die Mehrheitsverhältnisse im demokratisch verwalteten Orden. 

Sehr viele der Leitungsfunktionen werden von Nonnen wahrgenommen. Die Nonnen genießen bei der Bevölkerung ein großes Ansehen. Lediglich bei großen Zeremonien stehen die Mönche im Vordergrund. Dass weniger Männer diesen Weg wählen (wie auch in Südkorea und in Festland China), wird damit begründet, dass es für einen Mann sehr viel schwieriger sei, das Einverständnis der Familie zu erlangen. Auf den Männern ruhen die Erwartungen der Familie. Erschwerend kommt dazu, dass heute auch in Taiwan die Durchschnittsfamilie nur noch 1,3 Kinder hat. 

Das Amt des Abt-Präsidenten des Ordens der Dharma-Trommel wird in demokratischer Wahl besetzt, ebenso wie andere wichtige Führungspositionen. Die spirituelle Leitung liegt bei der Gesamtheit der Ordensmitglieder. Das ist sehr demokratisch, macht jedoch die Entscheidungsfindung manchmal etwas umständlich. 

Jedes Jahr wird eine Leitdevise festgelegt. 2016 war es: „Großes Licht: Mit klarem Geist sende in jedem Augenblick Licht in die Welt. Mit Stabilität bei jedem Schritt ist deine Zukunft voller Versprechen.“ Der Tagesablauf der Ordinierten ist durch viele Pflichten gekennzeichnet. 

Neben der Teilnahme an den Morgen- und Abendzeremonien bestimmt die Arbeit den Tag. Für die persönliche Praxis bleibt lediglich die Zeit zwischen 4 und 6 Uhr morgens, wahlweise Meditation, Niederwerfungen oder Rezitationen sowie abends nach 9 Uhr nochmals eine Stunde für Studium oder Praxis.

Der Dharma-Trommel-Berg

Der Dharma-Trommel-Berg, das zentrale Kloster- und Ausbildungszentrum liegt bei Jinshan, im Norden Taiwans. Er wurde 2005 eingeweiht. Die Gebäude, überragt vom Tempel, fügen sich harmonisch in die grüne Landschaft ein. Neben dem Haupttrakt für Besucher und Verwaltung liegt je ein Gebäude für die Nonnen und die Mönche. 

Dharma-Trommel-Berg

Etwas abgeschirmt befindet sich das Meditationshaus. Hinter dieser Anlage liegen die Ausbildungskomplexe: das College für angehende Nonnen und Mönche, die Sangha-Universität und – ganz neu – das „Institute of Liberal Arts“, die Universität, die Kurse in Umweltschutz und -entwicklung sowie in Sozialentwicklung und -schutz anbietet. Einen großen Stellenwert nimmt die Bibliothek ein, die über 40‘000 Bücher und über 500 Zeitschriften umfasst, besonders wertvoll sind die Dunhuang-Manuskripte, die aus dem 11. Jahrhundert oder früher stammen. 

Alle Gebäude sind in einem modernen, einfachen und sachlichen Stil errichtet. Der Tempel ist dem Baustil der Tang-Zeit nachempfunden, sehr klar verkörpert er in seiner Weite und Schlichtheit die Leere in Chan. Auf der großen, 25 Tonnen schweren Glocke (der weltweit zweitgrößten) ist das ganze Lotus-Sutra eingraviert. 

Der Garten der Erinnerung, der Gedenkstätte für Verstorbene ist ein Gras Feld ohne Stelen oder Namenstafeln. Hier ist auch die Asche von Meister Sheng Yen begraben. Diese Art der Beerdigung wurde vom Bezirks Taiwan übernommen und wird bereits an weiteren Orten betrieben. Neben dem Hauptsitz, dem Dharma-Trommel-Berg, gibt es mehrere andere Klöster und Stadttempel in Taiwan. Das Stadtkloster Nongchan (ursprünglich ein Landwirtschaftskloster, das Meister Sheng Yen von seinem Lehrer, Meister Dongchu, übertragen wurde), ist heute bekannt durch seine moderne Architektur, die das Thema Wasser-Mond in raffinierte Weise als Spiegelung der Realität im Traum darstellt. Hier steht das denkmalgeschützte ursprüngliche Haus, das zur Gedenkstätte für Meister Dongchu und Meister Sheng Yen wurde. Viele gemeinschaftliche Aktivitäten wie Vorträge, Kindertage, Rezitationen und Zeremonien finden hier statt. Das zweite Hauptkloster in Taipei, Yunlai, ist das administrative Zentrum, mit Abteilungen für Publikationen, dem Medienzentrum, der Abteilung für die taiwanesischen und die ausländischen Zweigstellen sowie der Abteilung für Betreuung und soziale Aktivitäten.

Zum Schluss noch einen Hinweis auf die verschiedenen Praxiszentren der Dharma Trommel Linie im Westen.

In den USA besteht das Hauptzentrum in New York City mit einem großen Retreatzentrum in Pine Bush, etwas weiter nördlich im Staate New York gelegen. Lokale Zentren befinden sich in 18 US Bundesstaaten, sowie in Kanada (Vancouver und Toronto).

Daneben gibt es Praxiszentren in Australien, Malaysia und Singapur.

In Europa ist der Humanistische Buddhismus von Meister Sheng Yen vor allem in England sowie im buddhistischen Zentrum in Kroatien vertreten. Beide Zentren werden von Dharma-Erben von Meister Sheng Yen geleitet. In Polen findet alljährlich ein 3-Wochen-Retreat mit Meister Chi Chern statt. Im deutschsprachigen Raum gibt es lediglich Chan-Bern, ein Meditationszentrum in der Schweiz unter der Leitung einer anerkannten Lehrerin in dieser Tradition. Dieses Zentrum organisiert neben regelmäßigen Meditationen und Einführungen, auch 1 bis 3-Tage-Retreats in Bern sowie längere Retreats im Haus Tao oder im Felsentor.