Chan Praxis

Meister Sheng Yen: «Chan ist überall, existiert universal und ewig. Von Lehrerenden kann nur die Methode, durch die man persönlich Chan erfahren kann, übermittelt werden.»

Die Chan-Praxis umfasst die drei Aspekte: ethisches Verhalten im Alltag, Meditation und Weisheits-Lehre.

Meditation: Chan beginnt an der Wurzel der Probleme, nämlich damit, weitgehende Kenntnisse seiner selbst zu gewinnen. Wir begegnen in der Meditation uns selbst. Zunächst lernen von einem zerstreuten Geist zu einem konzentrierten Geist zu gelangen, entwickeln dann den eins-gerichteten Geist von Samadhi und gelangen im Chan-Erwachen zu Nicht-Geist. Chan Meditation bedeutet immer, sowohl den Geist ruhiger werden zu lassen wie dabei wach, gewahr, zu bleiben. Wir gelangen so zu mehr innerer Freiheit, Offenheit und Teilnahme am Fluss des Lebens.

Wir bieten Einführungsabende zur Meditation, Meditationsretreats und  regelmässige Meditationen an.

Alltag: Mit zunehmender Übung in der Meditation gewinnen wir mehr Einsicht in unsere mentalen Abläufe, wir lernen uns besser kennen und unser Denken wird ruhiger und rationaler. Geist und Körper werden entspannter und immer klarer. Damit lernen wir besser mit unseren Alltagssituationen und unseren Emotionen umzugehen. Wir können offener, freudvoller und kreativer werden und entwickeln eine innere Stabilität bei allen Herausforderungen des Lebens. Das Beachten von einfachen Verhaltenshinweisen unterstützt diesen Prozess.

Die Weisheit-Lehre: Die wichtigsten Chan-Konzepte sind:

  • Im gegenwärtigen Augenblick sein, nicht nur während der Meditation, sondern auch im Alltag. Nur der gegenwärtige Augenblick ist real;
  • die Vergangenheit und die Zukunft sind Illusionen. Der gegenwärtige Augenblick ist kostbar, ergreife ihn.
  • Achtsamkeit bei allen unseren Handlungen: Dabei helfen die vier Aspekte: Hinsehen – akzeptieren – behandeln – wegfallen lassen.

Die buddhistische Lehre wird vermittelt in Retreat-Vorträgen und im Studienkurs zum humanistischen Chan-Buddhismus von Meister Sheng Yen

Meditation

Wir meditieren aus unterschiedlichen Gründen. Die Meditation hilft uns, die physische und mentale Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern und unser ganzes körperliches und geistiges Potenzial zu verwirklichen. Die Methoden sind allgemein und nicht abhängig von einer Religion oder Weltsicht. Sie sind nicht starr, auch schwache, kranke und dauernd überarbeitete Personen können sie an­wen­den. Das letztendliche Ziel ist es, die wahre Freiheit in unserer ursprünglichen Natur zu ver­wirk­li­chen und die Verbundenheit mit allem kennen zu lernen.

Die Auswirkungen auf den Körper werden heute durch die Neuropsychoimmunologie untersucht. Diese zeigt die Zusammenhänge zwischen dem autonomen Nervensystem und den körperlichen sowie psychischen Erkrankungen auf. Ein Ungleichgewicht in diesem Nervensystem führt zur Beeinflussung unserer Hormonproduktion und den davon abhängigen Organen. Folgen sind Stress und Angst, aber auch Immunschwäche, Asthma, Bluthochdruck und anderes mehr. Ein Überwiegen des sympathischen Nervensystems führt zu Erhöhung der Herz- und Atemfrequenz und des Blut­drucks. Die experimentelle Forschung konnte nachweisen, dass Meditation einen positiven Effekt auf diese Symptome, aber auch auf Schmerzempfindung, Herz-Kreislaufstörungen und sogar auf die Anfälligkeit für Virusinfektionen hat. Durch die Meditation lernen und üben wir, entspannter und klarer zu sein, was sich auch auf den Körper auswirkt. Das sympathische und parasympathische Nervensystem werden ausgeglichen. Dies gilt für die Achtsamkeitsmeditation ebenso wie für Chan/Zen. Die Meditation unterstützt das endokrine und das Immunsystem sowie die Aktivität des Stirnlappens. Durch das Sich-Ausrichten auf den Atem wird dieser langsamer, ruhiger, verlagert sich stärker in den Bauchraum und vergrössert damit das Blutvolumen, indem er Reserven aus Leber und Milz mobilisiert. So ist das Sitzen und Beruhigen der eigenen Gedanken bereits am Anfang sehr wohltuend, regulierend und stärkend.

Die Meditationspraxis kann uns helfen, unser psychisches und geistiges Potenzial zu verwirklichen. Durch die Meditation lernen und üben wir, einen entspannten, fokussierten und klareren Geist zu haben, was sich auch auf den Körper auswirkt.
Die gegenwärtige Forschung konzentriert sich vorwiegend auf die Achtsamkeitsmeditation. Von Dr. Kabat-Zinn wurde das 8-Wochen-Programm MBSR (Mindfullness-Based Stress Reduktion) erarbeitet, das sich aufgrund der klar begrenzten Dauer gut für die Forschung eignet. Untersucht wird vor allem der Zusammenhang zwischen der infolge Meditation erhöhten Achtsamkeit und dem psy­chi­schen Befinden. Es gibt Hinweise, dass Mitgefühl mit sich selbst und andern und achtsames Wahr­neh­men der aktuellen Erfahrung gestärkt werden, ebenso die Emotionsregulation und eine nicht­wertende akzeptierende Haltung. Das heisst, dass die Menschen geduldiger werden und lernen, sich rascher zu beruhigen, sie werden angstfreier, mitfühlender und dankbarer, ihre Stimmung wird stabiler.
Ausserdem tritt eine Stärkung des Willens und der Persönlichkeit auf. Der Umgang mit Stress wird besser, Interessen und Effizienz werden gestärkt. Bei chronischen Schmerzen und psycho­soma­ti­schen Erkrankungen tritt in 25 bis 50 Prozent eine Symptomreduktion und sig­ni­fi­kan­te Ver­bes­serung des Allgemeinbefindens auf. Die Forschungen zeigen auch positive Hinweise auf eine Be­ein­flus­sung der Achtsamkeit bei problematischem Alkoholgenuss. Eine gute Wirkung wurde ebenfalls bei Migräne gefunden. Meditation ist eine wirksamere Entspannungsmethode als autogenes Training (Grawe 1994).
Es zeigte sich jedoch auch, dass sich die Wirkung der Achtsamkeitsmeditation kaum von der Wirkung der Meditation im Allgemeinen unterscheidet. Stress und Wohlbefinden werden eher stärker beeinflusst, negative Emotionen eher weniger. Diese Meditationsarten können zu einer Erhöhung der Lebenszufriedenheit und einer Verbesserung des Schlafverhaltens führen.

Die Meditation stärkt den Charakter durch Übung und Selbstverwirklichung, nicht durch äussere Einflüsse oder Druck. Wir sammeln den Geist, indem wir ihn auf einen Punkt oder ein Wahr­neh­mungs­feld lenken. 
Die Gedanken, die zunächst noch wirr durcheinanderlaufen, werden geordneter und fliessen wie in einem ruhigen Gewässer. Ihre Intensität nimmt ab. Auch das Denken in Worten nimmt ab, und wir können beobachten, wie unser Geist ruhiger und klar wird. 
Diese Stille in unserem Innern wirkt äussert wohltuend. In zunehmend subtiler Wahrnehmung beobachten wir, wie alles, was im Geist auftaucht, vergänglich ist. Wir lernen, uns nicht mehr ganz damit zu iden­ti­fi­zi­eren. So gewinnen wir Einblicke in die Natur unseres Geistes. Das stärkt uns, macht uns weniger abhängig von der Umgebung und von unseren eigenen Antrieben, Motivationen und Emotionen. 
Wir werden auch unabhängiger von negativen Gewohnheiten und gewohnheitsmässigen Gedan­ken­mus­tern (wie Selbst-Herabsetzung und Arroganz), und die Grenzen der Selbstzentriertheit werden allmählich aufgeweicht, bis das subjektive Bewusstsein mit dem „Grund“-Bewusstsein eins wird. Dadurch werden wir wirklich frei. 
Gleichzeitig erfahren wir die Verbundenheit mit allen Lebewesen und mit allem, was existiert. Gemäss Meister Sheng Yen besteht der Weg in Selbst-Gewahrsein, Selbst-Disziplin und Selbst-Transformation. Die vierfache Praxis besteht im Folgenden: Ansehen (um sich selber besser zu verstehen, die eigenen Stärken und Schwächen kennen zu lernen), Anerkennen (wir erkennen und akzeptieren unsere negativen Verhaltensmuster und die Möglichkeit sie mit Konzentration und Einsicht zu überwinden), Harmonisieren (durch heilsames Tun und Weglassen des Unheilsamen) und Erkennen der Leere (realisieren, dass es kein beständiges Selbst gibt, da alles sich ständig ändert).
 

Wie können wir täglich meditieren?

Zunächst sollten Sie die geeignete Haltung zur Meditationspraxis einnehmen und dann eine geeignete Methode gebrauchen. Bevor Sie mit der Praxis beginnen, ist es wichtig, Körper und Geist zu entspannen. Doch sollten Sie vorsichtig sein, um nicht in eines der Extreme zu verfallen, noch verspannter zu werden oder so sehr zu entspannen, dass Sie einschlafen. Aus diesem Grund ist die mentale Einstellung wichtig.

Sagen Sie sich selbst, dass die Praxiszeit die beste Zeit des Tages ist. Diese kurze Zeit ist kostbar. Wenn Sie diese Einstellung haben, werden Sie weder verspannt noch schläfrig sein. Wenn die Meditation beschwerlich ist, wird es schwierig, dabei zu bleiben. Bevor Sie sich hinsetzen, sollten Sie sich daran erinnern, dass es ein Glück ist, dies tun zu können. Denken Sie an das Sitzen als eine Zeit der Entspannung und Freude. Lassen Sie alle Sorgen fallen.

Versichern Sie sich, dass Ihre Haltung (siehe unter Sitzpositionen) korrekt ist. Wenn Sie die Haltung eingenommen haben, vergessen Sie Ihren Körper, um ganz entspannen zu können. Beobachten Sie Ihren Geist, beobachten Sie, wohin er geht, aber folgen Sie ihm nicht. Wenn Sie den Gedanken folgen, werden Sie versuchen, sie zu kontrollieren. Sobald Sie realisieren, dass Sie den wandernden Gedanken gefolgt sind, verschwinden diese von selbst. Wenn Gedanken auftauchen, achten Sie auf den Atem. Wenn Ihr Geist klar ist, sitzen Sie einfach. Versichern Sie sich, dass Ihre Haltung noch korrekt ist.

(Frei übertragen nach Zen Wisdom von Meister Sheng Yen.)

Entspannung

Chan von Meister Chi Chern

Schliessen Sie die Augen, lehnen Sie sich auf Ihrem Sitz zurück und entspannen Sie Ihre Muskeln. Entspannen Sie die Augen vollständig. Entspannen Sie die Gesichtsmuskeln, die Schultern und Arme. Entspannen Sie den Bauchraum. Wenn Sie Ihr Körpergewicht fühlen, bringen Sie diese Empfindung hinunter auf Ihr Kissen. Denken Sie an nichts. Wenn Gedanken auftauchen, anerkennen Sie sie und bringen Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das Ein- und Ausströmen des Atems durch die Nasen­öff­nun­gen. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Praxis.

Diese Entspannung soll uns natürlich und klar werden lassen. Sie sollte nicht länger als drei bis zehn Minuten dauern, eventuell mehrmals täglich. Sie erfrischt Ihren Körper und Geist. Allmählich werden Körper und Geist stabil.

Sitzpositionen

Seit sehr langer Zeit werden sieben Punkte in der Sitzmeditation beachtet. Sie stabilisieren den Körper, damit Sie sich auf den Geist fokussieren können.

  1. Die Beine: Traditionell wird der volle oder halbe Lotussitz empfohlen. Jedoch ist es auch möglich, die Unterschenkel voreinander zu kreuzen oder auf einem Kissen oder Bänklein zu knien. Wenn physische Probleme dies erfordern, kann man auch auf einem Stuhl sitzen. Der Rücken sollte dabei aufgerichtet bleiben.
    Wählen Sie zu Beginn eine Position, die angenehm ist und während zwanzig Minuten aufrechterhalten werden kann.
  2. Die Wirbelsäule: Die Wirbelsäule muss aufgerichtet sein. Das Becken ist leicht nach vorn gekippt, das Kinn leicht angezogen. Der Körper sollte weder nach vorn noch nach hinten noch zur Seite geneigt sein.
  3. Die Hände: Die Hände formen das „Dharma-Reich-Samadhi-Mudra“ (die Geste der Einheit mit der Realität). Diese Handhaltung hilft, den Fluss der inneren Energien und den Körper mit der äusseren Welt zu harmonisieren. Die nicht aktive Hand liegt in der aktiven, die Daumen berühren sich leicht. Die Handkante liegt am Unterbauch und die Hände ruhen auf den Beinen.
  4. Die Schultern: Lassen Sie die Schultern nach unten fallen und entspannen Sie Arme und Hände.
  5. Die Zunge: Die Zungenspitze ist nach oben gebogen und berührt den Gaumen hinter der Zahnreihe. Das verhindert das Austrocknen des Mundes. Wenn zu viel Speichel auftritt, kann diese Stellung gelöst werden.
  6. Der Mund: Der Mund sollte geschlossen sein. Atmen Sie durch die Nase.
  7. Die Augen: Die Augen sollten leicht offen sein und in einem 45°-Winkel nach unten gerichtet. Schauen Sie nichts an. Die Augen zu schliessen, kann Schläfrigkeit oder visuelle Illusionen hervorrufen. Wenn sich die Augen jedoch sehr müde anfühlen, können sie für kurze Zeit geschlossen werden.

Der Atem

Atmen Sie natürlich, kontrollieren Sie den Atem nicht. Wir fokussieren uns auf den Atem, um den Geist zu konzentrieren. Das bedeutet, dass wir zusammen mit dem Atem den Geist regulieren.

Den Geist durch das Zählen des Atems regulieren

Den Geist zu regulieren bedeutet, ihn zu stabilisieren und konzentrieren. Eine grundlegende Methode ist, den Atem in sich wiederholenden Zyklen von zehn Atemzügen zu zählen. Beginnen Sie mit eins (in Gedanken, nicht laut), jedes Ausatmen zu zählen, die Aufmerksamkeit ganz auf dem Zählen. Wenn Sie bei zehn ankommen, beginnen Sie erneut. Beim Einatmen richten Sie die Aufmerksamkeit auf das Einströmen des Atems durch die Nase. Wenn wandernde Gedanken auftauchen, beachten Sie sie nicht und fahren mit Zählen fort. Wenn Sie vom Zählen wegdriften, starten Sie von neuem.

Meditation Meister Sheng Yen

Den Geist durch das Beobachten des Atems regulieren

Wenn nicht sehr viele wandernde Gedanken auftreten, können Sie das Zählen weglassen und den Atem beobachten. Richten Sie die Aufmerksamkeit auf die Nasenöffnung. Versuchen Sie nicht, den Atem zu kontrollieren. Wenn Sie feststellen, dass Gedanken Sie unterbrechen, kehren Sie einfach zur Methode zurück.

Allgemeine Hinweise

Obwohl die angegebenen Methoden einfach sind, ist es am besten, sie unter der Leitung eines Lehrers oder einer Lehrerin anzuwenden. Er oder sie kann Anfängerfehler korrigieren. Es ist sehr wichtig, dass Körper und Geist entspannt sind. Während der Meditation können gewisse Empfindungen und Phänomene auftreten. Es kann Schmerz, Muskelkater, Juckreiz, Wärme oder Kälte sein; das sind natürliche Reaktionen auf die Meditation, doch wenn Sie angespannt sind, können sie zu Hindernissen werden. Wenn Sie entspannt sind, werden Sie dadurch nicht gestört.

Beachten Sie:

Wenn der Geist anfänglich durch äussere Probleme belastet ist, ist es am besten, frühmorgens zu sitzen, bevor die Tagesprobleme auftreten. Allmählich kann die Zeit der Sitzmeditationen verlängert werden.

DDM Eight-form Moving Meditation