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Bodhidharma, der erste Chan-Vorfahre, hat zwei Zugänge zum Chan-Erwachen gelehrt. Der erste Zugang ist derjenige über das Prinzip, die direkte Erfahrung der Soheit mit einem Geist, der stabil und unbewegt ist wie eine Wand und trotzdem wach und klar, voller Gewahrsein. Für alle diejenigen, deren Geist dazu nicht fähig ist, gibt es den Weg über die vier Arten der Praxis, die aufeinander aufbauen. Akzeptieren und sich den Bedingungen anpassen sind die zwei ersten dieser vier Praktiken.

Die erste Praxis, akzeptieren und geduldig ertragen, bedeutet, anzuerkennen, dass alles, was mir zustösst, die Folge meiner Handlungen ist. Wenn ich das annehmen kann, hilft es mir, wenn ich Widrigkeit erfahre. Ich kann lernen, ruhig und ohne Unmut zu sein, wenn mich Missgeschick oder Unglück trifft. Ich leide dann weniger unter aufwühlenden Emotionen und bin seltener entmutigt oder bedrückt.

Was sollte ich annehmen? Das Wichtigste ist, zu akzeptieren, dass ich so bin, wie ich bin – mit all meinen Stärken und Schwachstellen. Wenn mir etwas misslungen ist, akzeptiere ich das und versuche es das nächste Mal besser zu manchen. Akzeptieren bedeutet also nicht, passiv zu sein, im Gegenteil: es ist die Vorbedingung, um sich selber und vielleicht auch die Umstände zu verbessern. In diesem Sinne bedeutet es, sich anzustrengen – nicht um besser zu sein als die anderen, sondern um mein Bestes zu geben. So kann ich akzeptieren, dass mir Projekte nicht gelingen, dass andere mich überflügeln. Auf unserem spirituellen Weg können wir akzeptieren, dass immer neue Hindernisse auftauchen, dass wir langsam Fortschritte machen und nie ans Ende gelangen. Wir nehmen das an, und wir praktizieren weiter.

Was bedeutet akzeptieren? Ich kann nur akzeptieren, wenn ich genau hinschaue, was da ist, wenn ich klar sehe, dass eine Situation, eine Idee oder ein Projekt so ist, wie es sich gerade jetzt zeigt. Nicht wegschauen! Nicht verdrängen, mich nicht dagegen wehren! Meine früheren Handlungen, auch wenn ich mich nicht daran erinnere, sind die Ursache. Dazu kommt jedoch noch die Bedingung im gegenwärtigen Moment, die ermöglicht, dass Dinge sich ereignen. Wenn wir genau hinsehen, können wir auch versuchen, die Situation zu verbessern, oder wenn dies nicht möglich ist, sie mit Gleichmut zu akzeptieren.

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Meister Sheng Yen schreibt: „Alle Phänomene, ob physikalisch oder mental, auch die Lehren Buddhas und die Praxismethoden sind dharmas, die sich mit anderen kreuzen, unbegrenzt in allen Richtungen in Raum und Zeit. Das entspricht dem Konzept des bedingten Entstehens, was bedeutet, dass alle Phänomene, egal wann und wo sie vorkommen, miteinander verbunden sind. Dies schliesst nicht nur Entstehen und Erscheinen ein, sondern auch Zugrundegehen und Verschwinden. Eine Person, die geboren wird, ist ein Phänomen, und eine Person, die stirbt, ist ein Phänomen; eine Blase, die sich bildet, ist ein Phänomen, und eine Blase, die zerplatzt, ist ein Phänomen; ein Gedanke, der auftaucht, und ein Gedanke, der verschwindet, ist ein Phänomen. Wenn Hindernisse vor uns stehen wie eine unbezwingbare Wand, dann ist auch das ein Zusammenkommen unterschiedlicher dharmas, die entstehen und vergehen aufgrund von Ursachen und Bedingungen.“

Die zweite der vier Praktiken von Bodhidharma ist „sich den Bedingungen anpassen“. Das bedeutet, dass wir innerhalb der Beschränkungen unserer Umgebung unser Bestes geben sollten. Wir passen uns den Umständen an. Wir gehen mit dem Fluss unseres Lebens mit. Wenn unsere Umstände glücklich sind, wenn wir Erfolg haben, nehmen wir das dankbar an, doch wir werden nicht übermässig freudig erregt. Wir rechnen uns den Erfolg nicht ausschliesslich selber an. Und wir versuchen nicht, ihn krampfhaft festzuhalten. Wir wollen versuchen, ganz ehrlich zu bleiben und nicht verfestigt, verhärtet im Zwang des Erfolgs. Glückliche und widrige Umstände sind das Resultat unzähliger Ursachen und Bedingungen. Wir ernten lediglich die Früchte unserer eigenen Arbeit. Über ein gutes Schicksal sollten wir nicht übermässig stolz sein. Wie Misserfolge ist es das Resultat vieler Ursachen und Bedingungen, die zusammenkommen. Es hängt stark vom guten Willen anderer und den Umständen ab. So können wir vermeiden, allzu selbstzufrieden oder enttäuscht zu sein.

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Akzeptieren und sich den Bedingungen anpassen und diese geduldig ertragen sind sehr hilfreiche Praktiken im täglichen Leben. Sie erlauben uns, unsere Bedingungen zu verbessern und eine positive Haltung dem Leben gegenüber einzunehmen. Sie tragen dazu bei, angesichts wechselnder Umstände uns des Gleichmuts zu erfreuen, unser Verhalten anzupassen und unsere Beziehungen harmonisch zu gestalten. Wenn wir die täglichen Gegebenheiten annehmen und uns den Bedingungen anpassen, werden wir unsere Verpflichtungen erfüllen, und wir werden das Beste aus unseren Chancen machen. Auf diese Art wird das Leben bedeutungsvoller.

Sich den Umständen anzupassen, bedeutet mitgehen mit dem, was gerade für mich ansteht. Das kann harmonisch und fliessend geschehen, wenn ich an nichts festhalte, mich nicht anklammere, weder am Erfolg noch am Missgeschick. Nicht anklammern bedeutet auch, nicht am starren Zuschreiben von Erfolg und Misserfolg an meine Person – an mein Ich – festzuhalten. So kann ich lernen, im Fluss zu bleiben. Mit den Dingen zu fliessen, heisst auch, mit ihnen verbunden zu sein, während das Festhalten den Aspekt, sich abzutrennen, beinhaltet.

Unsere Veranstaltungen im 1. Quartal 2024

Ankündigung: 5-Tage-Chan-Meditations-Retreat mit Chang She (Hildi Thalmann)

Ankündigung: Intensives 7-Tage-Chan-Retreat mit der Ehrwürdigen Äbtissin Chang Wu Fashi